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3. Und die Not wächst, die höchste, äußerste Not. — Da! Was
ist das? Mitten im Zentrum Benedeks, als Stützpunkt seiner Re-
serven, liegt das Dorf Ohlum, von Waffen starrend, mit Kanonen
überladen. Dort, mitten im feindlichen Heer, in einer Talfalte wird’s
plötzlich lebendig. Was ist das? Dies Häuflein, das dort jählings in
vollem Lauf anstürmt? Sind das Preußen?
Und das Häuflein wächst und schwillt, unaufhaltsam dringt es
wie ein Keil ins Herz des Feindes. Die Preußen hier? Unmöglich!
Benedek selbst reitet mit seinem Stabe vor, um auf die unglaubliche
Meldung hin zu untersuchen. Flintenschüsse empfangen ihn, daß er
eilends davonjagt. Salven auf Salven, in bis dahin nie erhörter
Schnelle, knallen pausenlos. Das ist das Zündnadelgewehr! Das ist
die preußische Garde! Aber drunten in der Tiefe, als man das er-
sah, geht ein Brausen und Raunen und Rauschen um und schwillt
zum Sturme: „Der Kronprinz ist da, unser Fritz greift an!“
4. Voran, voran, voran! Hört ihr, Berge Böhmens, das preußische
Hurra? Der Marschall Vorwärts ist auferstanden. Siegreich schallt
der Sturmmarsch der Hohenzollern über Ohlum; die Preußen sind
drin. Schon sind die Linien Benedeks durchbrochen, schon in heller
Flucht. Die Trümmer ganzer Korps decken den Boden, zahllose
Gefangene und Geschütze befinden sich in preußischen Händen; der
besten Offiziere Tod ist zu beklagen. Dennoch versuchen die Kaiser-
lichen sich zu setzen. Ihre Reservereiterei stürmt an, ihre prächtigen
Linien prallen wie ein Unwetter herein und schwemmen die nächsten
preußischen Häuflein mit sich fort wie eine mächtige Woge. Un-
durchdringliche Staubwolken wirbeln empor, aus denen hin und
wieder die Blitze der Pistolen- und Karabinerschüsse aufleuchten.
Die Leiber gefallener Rosse und Reiter sperren den Weg. Bei dem
harten Zusammenstoß wird bald der eine Trupp nach kurzem Hand-
gemenge in wilder Jagd über offenes Feld in die Gehölze hinein-
gejagt; bald sammelt sich der andere wieder, erwartet verstärkt aufs
neue den Anprall und nimmt seinerseits in gestrecktem Galopp die
Verfolgung auf.
Der verderbenbringende Reiterzug rast hin und her, Blut und
Trümmer zeigen, von den aufsteigenden Feuersäulen der nahen
Dörfer beleuchtet, den Weg, den er genommen hat. Immer enger
und erbitterter entspinnt sich der Kampf. Endlich lassen die öster-
reichischen Weißmäntel ihre Gefallenen liegen und gehn in schneller
Flucht zurück.
Die österreichischen Bataillone befanden sich bereits in voller
Auflösung und bezeichneten ihre Rückzugslinie mit weggeworfenen
Waffen.
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506
ritt dann zu meinem Wagen und fuhr hierher, auf der Straße überall
von stürmischen Hurras der heranziehenden Truppen begrüßt, die überall
die Volkshymne anstimmten. Es war ergreifend. Alles hatte Lichter an-
gezündet, so daß man zeitweise in einer Illumination fuhr. Um 11 Uhr
war ich hier und trank mit meiner Umgebung auf das Wohl der Armee,
die solches Ereignis erkämpfte.
Da ich am Morgen des 2. noch keine Meldung von Moltke über
die Kapitulationsverhandlnngen hatte, die in Donchery stattfinden sollten,
so fuhr ich verabredetermaßen nach dem Schlachtfelde um 8 Uhr früh
und begegnete Moltke, der mir entgegenkam, um meine Einwilligung zur
vorgeschlagenen Kapitulation zu erhalten, und mir zugleich anzeigte, daß
der Kaiser früh 5 Uhr Sedan verlassen habe und auch nach Donchery
gekommen sei. Da derselbe mich zu sprechen wünschte und sich in der
Nähe ein Schlößchen mit Park befand, so wählte ich dies zur Begegnung.
Um 10 Uhr kam ich auf der Höhe vor Sedan an; um 12 Uhr erschienen
Moltke und Bismarck mit der vollzogenen Kapitulationsurkunde; um 1 Uhr
setzte ich mich mit Fritz in Bewegung, von der Kavalleriestabswache be-
gleitet. Ich stieg vor dem Schlößchen ab, wo der Kaiser mir entgegen-
kam. Der Besuch währte eine Viertelstunde; wir waren beide sehr bewegt
über jdieses Wiedersehen. Was ich alles empfand, nachdem ich noch vor
drei Jahren Napoleon auf dem Gipfel seiner Macht gesehen hatte, kann
ich nicht beschreiben.
Nach dieser Begegnung beritt ich von halb 3 bis halb 8 Uhr die
ganze Armee von Sedan. Den Empfang der Truppen, das Wiedersehen
der stark mitgenommenen Garden, das alles kann ich Dir heute nicht
beschreiben; ich war tief ergriffen von so vielen Beweisen der Liebe und
Hingebung.
Nun lebe wohl! Mit bewegtem Herzen am Schlüsse eines solchen
Briefes Wilhelm.
284. Die Fahne der Einundsechziger.
\. Vor Dijon war's; — doch eh' ich's euch erzähle,
knüpf' einer doch die Binde mir zurecht,
mich schmerzt der Arm, sie sitzt wohl schlecht;
so — so! Nun euer Herz sich stähle:
Vor Dijon war's; die j?äffe der Vogesen
bedrohte Garibaldis bunte 5char,
Bourbaki kam von der Loire,
das hartbedrängte Belfort zu erlösen.
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Extrahierte Personennamen: Moltke Fritz Napoleon Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Donchery Sedan Donchery Sedan Sedan Dijon Dijon Bourbaki
507
2. Gefahr war im Verzug; drei bange Tage
hielt Werder gegen Übermacht schon stand
bei Mömpelgard, und in der ^and
des Ariegsgotts schwankte schier die Wage.
Wir Sommern hatten vor jdaris gelegen
und waren schon im Marsch, das zweite Aorps
und auch das siebente ging vor
von Orleans auf hartgefrornen Wegen.
3. In Dijon wußten wir den alten Recken
und griffen ihn, zwei Regimenter, an
mit seinen fünfzigtausend Mann,
den Flankenmarsch der Aorps zu decken.
Der Alte von Taprera ließ sich blenden,
hielt die Brigade für die ganze Macht,
und nachmittags begann die Schlacht,
die ach, für uns so traurig sollte enden.
Die Tinundzwanz'ger aus dem rechten Flügel
des ersten Treffens hatten schwer Gefecht,
wir also vor! And grade recht!
Mit b)urra! nahmen wir die Hügel;
dem Feinde auf der Ferse ging's verwegen
bis in die Vorstadt Dijons jetzt hinein,
hier aber aus der Däuser Reihn
kam mörderisches Feuer uns entgegen.
5. Im Steinbruch, mit dem Bajonett genommen,
da fanden wir vor eines Ausfalls Wucht
zum Sammeln, durch die steile Schlucht
gedeckt, notdürftig Unterkommen.
Doch die Fabrik dort in der rechten Flanke
wie eine Festung auf uns Feuer spie.
„Vorwärts! Die fünfte Compagnie
zum Sturm auf die Fabrik, und keiner wanke!"
6. Der Tambour schlägt, es geht wie zur Parade,
die Fahne fliegt uns hoch und stolz voran,
doch klopft das Herz manch treuem Mann
beim raschen Schritt aus diesem Hffade.
Wie Salven rollt und pfeift es in die Glieder,
es rast der Schnitter Tod und fällt und mäht,
und wie er seine Reihen sät,
da sinkt die Fahne und ihr Träger nieder.
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520
dem Feste brachte die gesamte Studentenschaft Deutschlands ihrem ge-
liebten Herrscher einen aus 3000 Fackeln bestehenden Fackelzug dar.
Zahllose Geschenke und nicht weniger äls 1648 Telegramme liesen aus
allen Weltteilen ein. Aber gerade in den schönen Tagen dieses Festes
zogen dunkle Wetterwolken am Himmel aus. Bei dem Kronprinzen zeigten
sich die ersten besorgniserregenden Anzeichen des tückischen Halsleideiw,
an dem der königliche Dulder später den Tod fand. Schwer litt der
greise Kaiser, als die Krankheit seines einzigen Sohnes sich immer ver-
schlimmerte. Noch aber zeigte er sich jeden Tag am Eckfenster seines Schlosses,
vor dem sich stets Tausende von Menschen versammelten, um den greisen
Heldenkaiser zu sehen. Als er am 4. Mürz 1888 und an den folgenden
Tagen nicht erschien, ging die bange Frage durchs Volk, ob der Kaiser
krank sei. Die amtlichen Berichte sprachen von einer Erkältung. Die
Krankheit wurde bald schlimmer, die Entkräftung nahm zu, und am
9. März hauchte der Kaiser uuter den Gebeten des Geistlichen sein Leben
aus. Er war eingegangen zu der Ruhe, die dem Volke Gottes bereitet
ist. Das ganze Volk stand trauernd an seiner Bahre. Wenige Stunden
nach dem Hinscheiden erschien Fürst Bismarck im Reichstage, um die
schmerzliche Kunde von dem Abscheiden des ersten Deutschen Kaisers zu
überbringeu. Seine Rede klang aus mit den Worten: „Die treue, arbeit-
same Pflichterfüllung im Dienst des Vaterlandes und die Liebe zum
Vaterland, die in unserm dahingeschiedenen Herrn verkörpert war, möge
ein unzerstörbares Erbteil unserer Nation sein, welche der aus unsrer
Mitte dahingeschiedene Kaiser uns hinterläßt. Das hoffe ich zu Gott, daß
dieses Erbteil von allen, die wir an den Geschäften unseres Vaterlandes
mitzuwirken haben, in Krieg und Frieden, lu Heldenmut, Hingebung
Arbeitsamkeit und Pflichttreue treu bewahrt werde."
Gesegnet bleibe fein Andenken für alle Zeiten!
Nach Bernhard Rogge.
290. Brief Bismarcks an seine Gemahlin nach der Schlacht
bei Sedan.
Vendresfe, 3. September 1870.
Mein liebes Herz!
Vorgestern vor Tagesgranen verließ ich mein hiesiges Quartier,
kehrte heute zurück und ^^be in der Zwischenzeit die große Schlacht von
Sedan am 1. erlebt, in der wir gegen 30 000 Gefangene machten und
den Rest der französischen Armee, der wir seit Bar le Duc nachjagten,
in die Festung warfen, wo sie sich mit dem Kaiser kriegsgefangen ergeben
mußte. Gestern früh 5 Uhr, nachdem ich bis 1 Uhr früh mit Moltke
und den französischen Generalen über die abzuschließende Kapitulation
verhandelt hatte, weckte mich der General Reille, den ich kenne, um mir
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Extrahierte Personennamen: Bernhard_Rogge
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Gottes Bismarcks Sedan Sedan
127
130. Der Richtungspunkt.
1. Einzelne Schüsse fallen Tag und Nacht, wenn sich zwei große
Armeen dicht gegenüberstehen und sich guten Morgen sagen wollen,
von Patrouillen, einsamen Posten. Bald ballert's hier, bald ballert's
dort, oft ans weiter Entfernung.
Die Zeit zeigte 5 Uhr 37 Minuten früh, als das erste scharfe
Geknatter hörbar wurde. Im Umsehen war es heftiger. Geschütz-
schläge prasselten schon dazwischen. Wir saßen alle, mit vorgehal-
tenem Krimstechern, mit Halblinks in den Sätteln und schauten nach
Südwesten, wo die Fabrik sich in weißen Dampf hüllte. Wir sahen
auch jene dicken, graugelben, langsam aufsteigenden, langsam sich ver-
ziehenden Wölkchen, die von den einschlagenden Granaten, wenn sie
den Sand aufgewühlt hatten, herrührten. Ich setzte mein Glas ab
und prüfte noch einmal mu Augen und Hand Bügel, Gurten und
Riemenzeug: wußte ich doch, daß ich mich bald zum Reiten fertig-
halten mußte. Auch flüsterte ich meiner Stute zu: „Alte, aufgepaßt
jetzt! Nimm dich zusammen!"
In des Generals Gesicht ging eine leise Veränderung vor, der
freundliche Zug um den Mund verlor sich; die Lippen schlossen sich
mehr und mehr. Seine Hand glitt dreimal, viermal, gegen seine
Gewohnheit, schnell über die Mähne. Er riß seinen Braunen ziemlich
unsanft empor, als dieser sich an dem vorgestreckten, rechten Vorder-
bein mit den Zähnen rieb. Der Oberst, der Chef des Stabes, hielt
regungslos: er rechnete. Hinter uns wartete Graf Kjerkewanden mit
einem Zug des 7. Garde-Ulanenregiments.
Das Gefecht schien an der Nagelfabrik zum Stehen gekommen.
Augenscheinlich war sie stark besetzt. Immer bissiger und lauter kämpf-
ten dort zwei Doggen.
Der Oberbefehlshaber rief mich: „Reiten Sie zur Fabrik und
bringen mir, ich bitte flotte Gangart, Bericht!"
„Sehr wohl, Exzellenz."
2. Während ich wegritt, hörte ich plötzlich auch lebhaftes Gewehr-
feuer im Nordwesten, am Schlößchen. Ich tat einen langgezogenen,
grellen Pfiff. Meine Stute kannte ihn; und während ich mich ein
wenig vorbog, griff sie aus, daß in immer kürzeren Pausen der Huf
die Erde berührte. O Reiterlust! O Männertag!
Grad' war von uns die Fabrik genommen, als ich eintraf. Ich
fragte nach dem Kommandierenden. Ein hagerer General wurde mir
gewiesen. Ich ritt auf ihn zu. Er trug im linken Auge das Einglas.
Die Wange, hierdurch etwas verschoben, gab dem Gesicht etwas Lächeln-
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129
Nagelfabrik, die wieder umstritten wurde. Fort und fort warf der
Feind frische Truppen dorthin. Der Oberbefehlshaber sandte einen
Adjutanten an die in Reserve stehende 192. Infanteriedivision, daß sie
unverzüglich dahin abrücke, um endlich Luft zu schaffen.
Auch am Schlößchen schien kein Fuß breit gewonnen zu sein.
Der Feind hielt es zähe in seinen Fingern. Der General sandte mich
zur Berichterstattung hin, mir die Weisung gebend, nach dem mitten
in der vorliegenden Ebene auf einem Hügelchen stehenden Baume den
Rückweg zu nehmen, wohin er sich jetzt begeben wolle. Mehr und
mehr hatte es den Anschein, als wenn Freund und Feind, wie durch
eine übernatürliche Kraft gezwungen, diesen Baum als Richtungspunkt
betrachteten. Namentlich zogen, wenn auch noch in meilenweiter Ent-
fernung. große Reitermassen hüben und drüben drauf zu.
Am Schlößchen ging es bunt her. Wie zwei auseinandergegangene
wütende Messerhelden rangen die beiden Gegner. Ein kleiner General
mit goldener Brille und ganz kurzgeschorenen schneeweißen Haaren
führte hier und suchte den Feind auf alle mögliche Weise zu ver-
drängen. Als ich ihn traf, riß sein Pferd mit hochgestrecktem Hals an
einem Buchenzweig. In stark ausgeprägtem thüringischen Dialekt zog
er den Zügel nervös zurück mit den Worten: „Ei, tu Luter." Mich
sprudelte er heftig an, als ich ihm meinen Auftrag kundgab: Er sende
alle halbe Stunde über den Weitergang des Gefechtes Bericht an Seine
Exzellenz. Und als wenn er plötzlich höchst ärgerlich geworden sei,
ries er: „Ei, da wollen mer doch ämal de Lutersch an'n Kopp nährn'!"
Damit sprengte er auf einen Fahnenträger zu, entriß ihm das heilige
Zeichen und schwenkte es hoch hin und her. Alle Trommeln und
Hörner ließ er zum Angriff schlagen und blasen und ging so zum
letzten Sturm über. Ich blieb an seiner Seite, um Gewißheit über
den Ausgang zu erlangen. Kein Blei traf uns oder unsere Pferde.
Und umflattert von der Fahne, die der tollkühne kleine General noch
immer im steten Vorwärts über seinem Haupte hin- und herschwang,
ritt ich in den Höllenrachen hinein.
Da machte es sich, daß ich mit meiner alten Kompagnie zu-
sammenstieß. Sie empfing mich mit einem donnernden Hurra. Ein
Sergeant sprang an mich heran und gab mir Kunde (während ich mich
zu ihm hinunterbog, und er atemlos die Stirn zu mir hob), daß der
Oberleutnant, der Führer, eben gefallen sei. Ich zog meinen Säbel.
Und da ich doch erst den Ausgang abwarten mußte über unsere Lage,
so war es gleichgültig, ob ich im allgemeinen Treiben mitschwamm
oder meine mir bekannten Leute zum Siege führte. Der Oberbefehls-
haber würde mir recht geben, wenn ich ihm später die Sachlage auf-
klärte.
Kappey u. Koch, Deutsches Lesebuch für Mittelschulen. V. 9
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490
nahe an der Wohnung unseres Königs, wo sie sich ebenfalls umarmten
und einige Minuten verweilten, dazu den Jubel der Wonne, des Preisens
Gottes von den Heeren und allem Volk — dies nicht selbst gesehen, nicht
unmittelbar mitempfunden zu haben, werde ich stets für einen der größten
Verluste meines Lebens erachten. So überströmend, so trunken die Freude
war, so kam doch nicht die geringste Ausschreitung vor. Kein Mensch
wurde beleidigt. Alle sprachen oder dachten:
„Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern,
in keiner Not uns trennen und Gefahr!"
7. Alle Häuser waren geöffnet. Niemand dachte für sich oder seine
Habe an Gefahr. Wer noch Lebensmittel hatte, trug sie heraus; auch
hierbei sah man kein gewaltsames Herandrängen, so ausgehungert
auch viele der Soldaten waren. Nach mehreren Trupps Preußen zog vom
Ranstädter Tore herauf ein großes österreichisches Heer dahin, an der
Spitze der edle Kaiser Franz, höchst einfach und mit mildem Ernst. Dem
Hause, in dem ich wohne, sollte anfänglich die Aufnahme und Bewirtung
des Königs von Preußen zuteil werden. Ich brauche nicht zu erwähnen,
wie freudig ich mit Weib und Kind mich in irgendein Hinterstübchen
eingeschachtelt hätte. Leider fand man dann, daß für den König wenigstens
ein größeres Zimmer nötig sei, als wir besaßen.
8. Mein schönes liebes Connewitz soll recht eigentlich verwüstet sein.
Vielleicht ist's übertrieben, aber kann ich's auch nie wieder aufbauen, ich
klage nicht mehr, gehöre ich doch unter die, von denen es heißt:
Ein süßer Trost ist ihm geblieben,
er zählt die Häupter seiner Lieben,
und sieh, ihm fehlt kein teures Haupt."
Darum, gelobt sei Gott! Rochlitz.
275. Hannoveraner in der Schlacht bei Waterloo.
1. Am Jahrestage der Schlacht bei Waterloo, am 18. Juni 1832,
wurde in der Stadt Hannover die Waterloosäule, enthüllt, die von dem
Baumeister Laves errichtet ist. Sie ist dem Andenken der tapferen
Hannoveraner geweiht, die in dem letzten Kampfe gegen Napoleon gestritten
haben, und hat deshalb die Inschrift: „Den Siegern von Waterloo das
dankbare Vaterland."
2. Am 18. Juni 1815 stand der verwegene Ruhestörer Napoleon
dem englisch-hannoverschen Heere unter dem Befehle Wellingtons gegen-
über. Stürmisch griffen die Franzosen gegen 11 Uhr morgens an; aber
sie trafen auf die tapferen Männer der deutschen Legion unter Major
Baring, der das vor der Front gelegene Gehöft La Haye sainte besetzt
hielt.
Das. Vorwerk La Haye sainte lag fast in der Mitte zwischen
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Franz Franz Ernst Napoleon Waterloo Napoleon Major
Baring
491
beiden Schlachtlinien, in einer Vertiefung zur Rechten der Straße von
Charleroi nach Brüssel, zwischen Belle-Alliance und Waterloo. An
Wohnhaus und Stallung schloß sich nordwärts der Gemüsegarten, an
die Scheune südwärts der Obstgarten; zwischen den Gebäuden befand
sich der Hof. Das Scheunentor war leider kurz vor der Besetzung
zerstört worden; zur Wiederherstellung hatte es au Zeit und Mitteln gefehlt.
3. Der Major Baring hatte nur sechs Kompagnien — zusammen
nicht mehr als 376 Mann — zur Verfügung, als der Sturm über den
freundlichen Landsitz und seine tapferen Verteidiger losbrach. Der Obst-
garten muß vor dem übermächtigen Andrängen des Feindes sogleich auf-
gegeben werden; um den ostenen Zugang in die Scheune zu verteidigen,
wird vor demselben eine Kompagnie unter Major Hans von dem
Bussche in Schützenschwärme aufgelöst. Ihr Feuer ist nicht ohne Erfolg,
und das zur Unterstützung herbeieilende Bataillon Lüneburg gibt neue
Hoffnung. Da erdröhnt plötzlich der Boden unter den Hufen der heran-
sprengenden feindlichen Panzerreiter. Hans von dem Bussche rettet
uoch glücklich den größten Teil seiner Tapferen in das Gehöft; das Lüne-
burger Bataillon aber wird überritten, niedergehauen, nach allen Seiten
zersprengt, und weiter braust der wilde Reitersturm die Höhe hinan
gegen die übrigen Truppen der deutschen Legion, gegen die Schotten und
Hannoveraner.
Nachdem hier der ungestüme Anprall der französischen Reiterei an
der unerschütterlichen Ruhe und Festigkeit der deutschen Infanterie sich
gebrochen, trat auch in der Gegend von La Haye sainte für einige Augen-
blicke eine Art Waffenruhe ein, die der tapfere Baring dazu benutzte,
zwei Kompagnien des ersten leichten Bataillons zur Unterstützung herbei-
zurufen. Es ist die höchste Zeit, schon ziehen neue, zahlreichere Massen
gegen das Vorwerk, das durchaus erst erobert sein muß, ehe aus
einen erfolgreichen Angriff gegen das Mitteltreffen Wellingtons ge-
rechnet werden kann. Den wackeren Verteidigern steht jetzt die schwerste
Prüfung bevor.
4. Es war gegen 5 Uhr, als drei vollständige Divisionen in geschlossener
Kolonne gegen den Pachthof heranrückten. Ohne Zagen aber empsingen
die Deutschen die stürmenden Haufen. Kaltblütig gaben sie ihre Schüsse
ab, und keine Kugel fehlte; ja, oft durchbohrte eine und dieselbe Kugel
mehr als einen Feind. Doch die Franzosen, die sich wohl bewußt siud, daß
sie unter den Augen ihres Kaisers fechten, lassen sich durch nichts erschüttern.
Mit seltener Kühnheit dringen sie bis an die Mauern heran, an den
-Lchießlöchern kämpft Mann gegen Mann; einzelne treten keck vor das
offene Scheunentor und trotzen hier den ihnen entgegengestreckten Bajonetten.
Ununterbrochen wütet der Kampf fort; gleich bewundernswert ist Angriff
und Verteidigung. Haufen von Erschlagenen bilden an den Eingängen
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T51: [Armee General Schlacht Franzose Truppe Mann Feind Heer Metz Preußen], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch]]
TM Hauptwörter (200): [T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute]]
493
8. Nun erst richteten sich die französischen Angriffe gegen die Höhen,
um die mit furchtbarer Erbitterung mehrere Stunden gestritten ward.
Der englische Oberfeldherr selbst sah zwischen 6 und 7 Uhr die Lage
seiner Armee als sehr bedenklich an. Sieben Reiterregimenter waren
vernichtet; das Fußvolk war bis auf die Hälfte zusammengeschmolzen.
Die vier Bataillone der Brigade Ompteda zählten nur noch zwei
Kompagnien; die sechs Bataillone der Brigade Kielmannsegge bildeten
kaum noch zwei schwache Bataillone. Das Heer zählte kaum mehr als
30000 kampffähige Männer. Dennoch verlor der eiserne Mann seine
Ruhe nicht; vielmehr ordnete er mit Besonnenheit alles an, um dem
entscheidenden Stoße, der ihm drohte, zu begegnen. Sein Vertrauen auf
Blüchers Hilfe stand fest.
9. Immer neue Hausen wälzten sich gegen die englischen Reihen, die
immer entsetzlicher gelichtet wurden. Als Wellington spät am Abend an
den Reihen der deutschen Legion vorüberritt, bat der Oberst Halkett, der
Herzog möge ihm einige Unterstützung senden, .„'s ist nicht möglich,
Halkett!" erwiderte er. „Wenn das ist," antwortete der Oberst, „so
können Sie sich auf die Brigade bis auf den letzten Mann verlassen."
In der höchsten Bedrängnis sprach Wellington die Worte: „Ich wollte,
es wäre Nacht, oder die Preußen kämen." Zu seinen Engländern aber
sagte er: „Wir dürfen nicht geschlagen werden. Was würde man in
England sagen!" Und horch! Jetzt, wo die Not am größten, erschallen
aus weiter Ferne, dann immer deutlicher und heller die Signalhörner
der anrückenden Preußen, der ersehnten Helfer in der Not! Hurra! Die
Preußen kommen!
Grosse und Otto. (Lesebuch für Bürgerschulen, herausgegeben
vom Lehrerverein der Stadt Hannover.)
276. Bei Sadowa. (3. Juli 1866.)
1. Regenfeuchter Boden, naßkalter Nebel. Von den Posten
schallt schwaches Schießen fern herüber, der dumpfe Donner eines
Geschützes grollt durch die Morgenluft.
Die Schlacht beginnt. Auf der ganzen Linie lebhaftes, unregel-
mäßiges Schützenfeuer, nur selten von dem Brummen des schweren
Geschützes unterbrochen. Doch bald knattert das Kleingewehr in
vollen Salven.
Die Division Fransecki dringt vor, ihr Führer befindet sich im
dichtesten Kampfgewühl am Walde, nichts entgeht seinem Scharfblick,
er ist überall zur Stelle. Langsam werden die Österreicher zurück-
gedrängt, aber ein Hagel von zischenden Kartätschen und platzenden
Granaten fährt zwischen den Baumstämmen hindurch von den Lipaer
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei], T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk]]
Extrahierte Personennamen: Otto Regenfeuchter
Extrahierte Ortsnamen: Wellington Wellington England Hannover
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5. Überall gingen die preußischen Kolonnen im Laufschritt vor,
während in der Ferne die weißen Massen in voller Flucht den
Wäldern zueilten. Die langen Linien der preußischen Reiterei ent-
wickelten sich mit lustig flatternden Standarten, ihre reitende Artillerie
bewegte sich vorwärts und ließ ihren Feuerschlünden weiße Rauch-
wolken entsteigen.
Während die Sonne am westlichen Horizonte versank, loderten
überall in der Ebene die glimmenden Flammen auf, und die schwarzen
Mündungen der Geschütze sprühten rote Feuergarben und Granaten-
funken aus. Da befahl der königliche Sieger, das Feuer gegen das
flüchtende Heer einzustellen. Der Greis dachte in seinem milden
und gerechten Sinn, daß es zwecklos und unchristlich sei, die völlig
Überwundenen wehrlos hinzuschlachten. Und mehr! Vor seiner
Seele stand es klar und fest: Wie wir jetzt auseinander gekommen,
so müssen wir suchen, dereinst wieder zusammen zu kommen, Preußen
und Österreich, die deutschen Brudermächte als gemeinsamer Wall
wider Westen und Osten.
6. Des Kronprinzen volkstümliche Reckengestalt erscheint. Vater
und Sohn sinken sich in die Arme. Ein schöneres, wärmeres,
heiligeres Zusammentreffen als das des alten Blücher und des kalten
Wellington bei Belle-Alliance!
Stumm ist der Schlachtendonner Habsburgs, der von Sadowa
hergebrüllt. 180 Geschütze gewonnen! Die jubelnden Soldaten
klimmen auf Rohre und Lafetten, wo die heldenmütigen Braunröcke,
noch im Tod ihre Geschütze umklammernd, ehrenvoll erschlagen
liegen. Die blauen Jungen schwenken ihre Mützen, die Offiziere
küssen dem greisen Sieger die Hand, und „Heil dir im Siegerkranz!“
schmettert es durch die Lüfte.
Karl Bleibtreu.
277. Der neunzehnte Juli 1870.
L Au Eharlottenburg im Garten
in den düstern Fichtenhain
tritt, gesenkt das Ljaupt, das greise,
unser teurer König ein.
2. Und er steht in der Kapelle —
seine Seele ist voll Schmerz —
drin zu seiner Eltern Pützen
liegt des frommen Bruders £)cr5*
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T49: [Berg Gebirge Höhe Fuß Ebene Seite Gipfel Gebirg Elbe Meer], T38: [Friedrich Wilhelm König Kaiser Iii Prinz Jahr Preußen Vater Sohn]]
TM Hauptwörter (200): [T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei], T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke]]